Online-Höhentransformation für den Übergang zwischen den nationalen Systemen von Deutschland, Österreich und der Schweiz im Grenzgebiet (D-A-CH-Höhentransformation) — Expertenmodus
Erläuterungen
Hintergrund zu Höhensystemen
Höhen und Höhenbezugsflächen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterscheiden sich aus historischen und geophysikalischen Gründen.
Was wir im Alltag als „Höhen” (physikalische Höhen, „Höhen über Meeresspiegel”) erfahren, wird durch das Schwerefeld beeinflusst. Die idealisierte Bezugsfläche für Höhen ergibt sich aus dem Konzept des Geoids, d.h. der hypothetischen Oberfläche eines unter den Landmassen erweiterten ungestörten Ozeans.
Modelle von Geoid- bzw. Quasigeoidhöhen werden daher heute als Bezugsfläche für GNSS-gestützte Höhenbestimmung, d.h. zur Transformation der beobachteten ellipsoidischen Höhen in physikalische Höhen, verwendet (Abb. 1). In der verallgemeinerten Formel
h = H + U
bezeichnet h die ellipsoidische Höhe, H die jeweilige physikalische Höhe und U den Undulationswert der dazugehörigen Höhenbezugsfläche (d.h. Geoidhöhe N bzw. Quasigeoidhöhe ζ).
Leider gibt es nicht „den” einen mittleren Meeresspiegel (und damit „das” eine Geoid). Die realen Meere unterliegen einer Ozeandynamik, die durch hydromechanische Eigenschaften der Küste sowie ozeanographische und atmosphärische Parameter angetrieben wird. Daher ist selbst der langfristige mittlere Meeresspiegel keine Gleichgewichtsfläche. Der beobachtete mittlere Meeresspiegel an einem spezifischen Ort weicht vom globalen mittleren Meeresspiegel bzw. Geoid ab. Das Nullniveau eines regionalen bzw. nationalen Höhennetzes und des damit verknüpften Geoidmodells unterliegt immer einer Datumsdefinition und hängt von Ort und Zeitraum des mittleren Meeresspiegels an der Pegelstation ab, die als Referenz verwendet wird.
Höhenmessungen müssen, wie alle klassischen (optischen) geodätischen Messverfahren, um den Einfluss des lokalen Schwerefeldes korrigiert werden. Die Ausgleichung von nationalen und kontinentalen Höhennetzen geschieht dann in Form von sogenannten geopotentiellen Koten C bzw. Potentialdifferenzen ΔW = g ⋅ ΔH zwischen zwei Punkten (d.h. in Einheiten der potentiellen Energie in Bezug auf eine Einheitsmasse, also „Beschleunigung mal Weg” statt „Kraft mal Weg”). Zur Umrechnung in eine metrische Höhe muss dann wieder durch einen Schwerewert geteilt (normiert) werden. Je nachdem, welcher Schwerewert zur Korrektion und zur Normierung verwendet wird, spricht man von unterschiedlichen Höhenarten. Heutzutage gebräuchlich sind entweder Normalhöhen (z.B. Deutschland, System DHHN2016) und orthometrische Höhen (z.B. Schweiz, neues System LHN95). Die Wahl der Höhenart für die Höhennetze in den jeweiligen Ländern hat theoretische, praktische und z.T. auch historische Gründe, worauf an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll. Einen umfassenden Überblick über die Höhenarten geben Schlatter und Marti (2007, insbesondere Abschnitte 2.3, 2.6 und Abb. 2.6-1), während Tab. 1 eine Zusammenfassung enthält.
Attribut | Unkorrigierte Höhen | Normalorthometrische Höhen HNO | Normalhöhen HN | Orthometrische Höhen HO |
Höhenbezugsfläche | Implizit | Implizit | Quasigeoid | Geoid |
Undulation | Implizit | Implizit | Höhenanomalie (Quasigeoidhöhe) ζ | Geoidhöhe N |
Schwerekorrektionen an den beobachteten nivellitischen Höhen | Keine | Nur sphäroidisch (Normalschwere) | Freiluftanomalien (tatsächlicher Schwerewert) | Freiluftanomalien (tatsächlicher Schwerewert) |
Theoretischer Schleifenschlussfehler? | Ja | Ja | Nein | Nein |
Basiert auf echten geopotentiellen Koten C? | Nein | Nein | Ja | Ja |
Schwerewert GH zur Skalierung der geopotentiellen Kote auf metrischen Höhenwert H = C/GH |
Nicht zutreffend | Nicht zutreffend | Mittlere Normalschwere entlang der Lotlinie zwischen Ellipsoid und Telluroid γ(Q0,Q) | Mittlere tatsächliche Schwere (approximiert) entlang der Lotlinie zwischen Geoid und Erdoberfläche g(P0,P) |
Definition des Störpotentials T (tatsächliches minus normales Potential) für die Höhenbezugsfläche | Nicht zutreffend | Nicht zutreffend | Auf der Erdoberfläche TP | Auf dem Geoid T(P0) |
Schwerewert GU zur Skalierung des Störpotentials auf metrischen Undulationswert U = T/GU |
Nicht zutreffend | Nicht zutreffend | Normalschwere auf dem Telluroid γQ (bzw. auf der Erdoberfläche γP ohne Genauigkeitsverlust) | Normalschwere auf dem Ellipsoid γ0 |
Hypothesenfrei? | Ja | Ja | Ja | Nein |
In Österreich und der Schweiz werden orthometrische Höhen und Normalhöhen routinemäßig berechnet und für wissenschaftliche Zwecke bereitgestellt. Jedoch bleiben die auf normal-orthometrischen (Österreich, System MGI) oder sogar unkorrigierten Höhen (Schweiz, „altes” System LN02) basierenden Landeshöhensysteme weiterhin offiziell gültig.
Die unterschiedlichen Höhenarten sind der Grund, warum Höhendifferenzen verschiedener Länder entlang des Grenzverlaufs im Allgemeinen variieren. So sind z.B. Schweizer Höhenangaben im System LN02 bei Basel ca. 32 cm und bei Schaffhausen ca. 36 cm höher als im deutschen System DHHN2016.
Der D-A-CH-Höhentransformationsdienst
Die Anwendung erlaubt die Transformation zwischen den unterstützten Landeshöhensystemen (physikalische Höhen) und den nationalen ETRS89-Realisierungen (ellipsoidische Höhen). Die Transformationspfade sind in einem zweistufigen Ansatz entsprechend dem Schema in Abb. 3 definiert. Dabei wird die jeweilige zu transformierende Höhe zunächst, soweit notwendig, unter Verwendung der offiziellen nationalen (Quasi-)Geoidmodelle bzw. Höhentransformationsgitter in eine EVRS-kompatible Normalhöhe umgerechnet. Anschließend erfolgt eine inverse Transformation ins Zielsystem. Sofern möglich wird anhand eines alternativen Transformationspfades (z.B. über ellipsoidische Höhen) ein DELTA-Wert als Genauigkeitsindikator (analog zu einem „Schleifenschlussfehler” der Modelle im Transformationsschema) abgeleitet und ausgegeben.
Zwischen den nationalen Realisierungen der Normalhöhen sowie der aktuellen Realisierung des EVRS (EVRF2019) wurden durch die Rechenstelle zum UELN (M. Sacher, c/o BKG) ebenfalls Transformationsgitter abgeleitet. Diese weisen entlang der nationalen Grenzen typischerweise nur noch eine Variation von wenigen Millimetern auf. Für die nationalen Höhenbezugsflächen und Höhentransformationsgitter wird im Gegensatz dazu typischerweise Genauigkeiten von 1-3 cm angegeben, welche im Rahmen von Stichproben entlang der Grenze überprüft und bestätigt wurden. Konsequenterweise werden/wurden daher im „DACH-Transformationsdienst”
- die Ergebnisse nur mit cm-Präzision angegeben,
- die Differenzen zwischen den Normalhöhen der einzelnen Länder und EVRS (EVRF2019) im Transformationsschema (Abb. 3) als konstant angenommen, wobei die aus den Stichproben abgeleiteten Mittelwerte übernommen wurden.
Da die nationalen Höhengitter nur für die jeweiligen Landesgebiete inklusiver einer kleinen Pufferzone gültig sind, wurden die grenzüberschreitenden Transformationsoperationen (wie z.B. DHHN2016 nach MGI) auf eine Zone von 4 km beiderseits der Grenze beschränkt. Umrechnungen von physikalischen in ellipsoidische Höhen innerhalb eines Landes (z.B. DHHN2016 nach ETRS89/DREF91 Realisierung 2016) sind ohne Einschränkungen möglich.
Geodätische Referenzrahmen in den D-A-CH-Ländern
Referenzrahmen | Höhenart | Datumspunkte | Bezugspegel/ Nullniveau |
Referenzepoche | Transformationsgitter | Anmerkungen |
Deutschland | ||||||
DHHN2016 („m ü.NHN”) |
Normalhöhe | 72 Punkte | NAP (1684) | 2004-2013 (insb. 2006-2012) |
GCG2016 Quasigeoid | |
ETRS89/DREF91 Realisierung 2016 | ellipsoidisch | 2008.46 | Höhen konsistent mit ETRF2000 | |||
Österreich | ||||||
MGI („m ü.Adria”) |
normal-orthometrisch | Hutbigl | Triest (1875) | 1950-2011 | Höhen-Grid | |
AT_NAP_OH | orthometrisch | Hutbigl | NAP (1684) | 1950-2011 | Austrian Geoid 2008 | |
ETRS89/ETRF2000 Austria 2002.45 | ellipsoidisch | 2002.45 | ||||
Schweiz | ||||||
LN02 („m ü.Meer”) |
unkorrigiert | Répère Pierre du Niton (RPN) | Marseille | Einrechnung unter Zwang in das Netz 1861-1891 | CHLN02 (nach CHTRF20xx) |
|
LHN95 | orthometrisch | Zimmerwald | Marseille | 1993.0 | CHGeo2004 Geoid | LN02-Höhe von RPN fixiert |
CHTRF20xx | ellipsoidisch | 1993.0 | Höhenoffset ggü. ETRF2000 |
Anmerkungen zu ”Normalnull” (NN) und ”Normalhöhennull” (NHN) in Deutschland
Aus historischen Gründen kamen auch in Deutschland verschiedene Höhenarten (und Realisierungen von Höhensystemen) zum Einsatz. Hier im D-A-CH-Höhentransformationsdienst wurden diese veralteten Systeme bewusst weggelassen. Eine umfassende Übersicht geben Sacher und Liebsch (2018, Tab. 2.2, S. 23).
Der Begriff Normalnull (NN), der für die alten deutschen Höhensysteme vor 1992 (mit Ausnahme der DDR) verwendet wurde, bezieht sich nicht auf die Anwendung von Normalhöhen (tatsächlich handelte es sich um normal-orthometrische Höhen!) sondern auf die Definition des Nullniveaus, dem Normal Amsterdams Peil (NAP).
Im Gegensatz dazu wird die Nullniveaufläche der Normalhöhen seit 1992 (DHHN92, DHHN2016) als Normalhöhennull (NHN) bezeichnet. Sie wird durch Quasigeoidmodelle (DHHN92: GCG05/GCG2011, DHHN2016: GCG2016) realisiert.
Weiterführende Informationen / Literatur
DE – Deutschland
-
Online-Anwendung „Berechnung von Quasigeoidhöhen mit dem GCG2016”
http://gibs.bkg.bund.de/geoid/gscomp.php?p=g
-
Dokumentation über die Produkte der Höhenreferenz (DHHN2016, GCG2016) im Rahmen des Integrierten Geodätischen Raumbezugs 2016
AdV (2018): Die Erneuerung des Deutschen Haupthöhennetzes und der einheitliche integrierte Raumbezug 2016. Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland – Arbeitskreis Raumbezug (Hrsg.), Oktober 2018,
https://dx.doi.org/10.5675/Raumbezug_2016_Hauptdokument
-
Entwicklung des DHHN2016
Sacher und Liebsch (2018): Die Entwicklung des Deutschen Haupthöhennetzes 2016. In: Die Erneuerung des Deutschen Haupthöhennetzes und der einheitliche integrierte Raumbezug 2016. Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland – Arbeitskreis Raumbezug (Hrsg.), Oktober 2018, S. 17-23,
https://dx.doi.org/10.5675/Raumbezug_2016_Hauptdokument
AT - Österreich
-
Online-Anwendung „BEV-Transformator”
https://transformator.bev.gv.at/at.gv.bev.transformator/
-
Dokumentation über die Höhenreferenzrahmen in Österreich
https://transformator.bev.gv.at/at.gv.bev.transformator/wiki/lib/exe/fetch.php?media=wiki:hoehenreferenzsysteme_-_2020-05-26_-_final.pdf
-
Austrian Geoid 2007
Pail et al. (2008): The Austrian Geoid 2007. Vermessung & Geoinformation, 96 (1) 3-14,
https://www.ovg.at/de/vgi/files/pdf/4983
-
Höhentransformationsgitter für Österreich (”Höhen-Grid”)
Briese et al. (2011): Transformation von GNSS-Höhen in österreichische Gebrauchshöhen mittels einer Transformationsfläche (Höhen-Grid). Vermessung & Geoinformation, 99 (4) 267-281,
https://www.ovg.at/de/vgi/files/pdf/5111
-
Realisierung des ETRS89 in Österreich
Titz et al. (2010): Realisierung und Monitoring von ETRS89 in Österreich. Vermessung & Geoinformation, 98 (2) 52-61,
https://www.ovg.at/de/vgi/files/pdf/5063
CH – Schweiz
-
Online-Anwendung „REFRAME”
https://www.swisstopo.admin.ch/de/karten-daten-online/calculation-services/reframe.html
-
Dokumentationsreihe „swisstopo Doku”
https://shop.swisstopo.admin.ch/de/products/publications/geodesy/swisstopo_doku_pdf - Schlatter und Marti (2007): Doku 20: Aufbau der neuen Landesvermessung der Schweiz 'LV95' – Teil 12 – Landeshöhennetz 'LHN95': Konzept, Referenzsystem, kinematische Gesamtausgleichung und Bezug zum Landesnivellement 'LN02'
- Vogel et al. (2009): Doku 21: Aufbau der neuen Landesvermessung der Schweiz 'LV95' – Teil 13 – Einführung des Bezugsrahmens 'LV95apos; in die Nationale Geodateninfrastruktur
- Marti (2016): Doku 22: Aufbau der neuen Landesvermessung der Schweiz 'LV95' – Teil 14 – Das Geoid der Schweiz